, Holger Willcke, GA

Herr der Orden: Karnevalsfunktionär Dieter Wittmann gibt sein letztes Amt ab.

Wenn Dieter Wittmann mit seiner schillernden Narrenkappe eine Karnevals- veranstaltung besucht hat, stand zumeist eine Ehrung an. An dieses Bild hat sich die Brauchtumsszene in der Region seit Jahrzehnten gewöhnt. Der Präsident des Regionalverbandes Rhein-Sieg-Eifel (RSE) hat sich mit Ablauf der Session 2024 ohne großes Tamtam von den größten Karnevalsbühnen im Rheinland verabschiedet. Mit ihm hört der wohl bekannteste Karnevalsfunktionär zwischen Eifel und Westerwald auf. Im Juni wird er bei der RSE-Mitgliederversammlung verabschiedet. Über seine Amtszeit, die aktuellen Entwicklungen im Karneval und die Zukunft des Brauchtums sprach der Oberkasseler mit GA-Redakteur Holger Willcke.


Fällt Ihnen der Abschied schwer?

Dieter Wittmann: Ja und Nein. Natürlich werde ich die ein oder andere Veranstaltung vermissen. Aber ich war 56 Jahre im Fastelovend in verschiedenen Funktionen unterwegs. Irgendwann muss mal Schluss sein. Und der Moment ist jetzt gekommen. Ich habe meinen Rückzug zeitig im Verband angekündigt.

Steht Ihr Nachfolger schon fest?

Wittmann: Nein. Er wird bei der Zusammenkunft des neuen RSE-Präsidiums im Juli gewählt.

Was zählte zu Ihren vordringlichsten Aufgaben als RSE-Präsident?

Wittmann: Unser Regionalverband ist der drittgrößte von 35 im Bund Deutscher Karneval. Ich habe 365 Mitgliedsvereine zwischen Mechernich in der Eifel und Wissen an der Sieg vertreten. Wir sind das Bindeglied zwischen den Vereinen an der Basis und dem BDK. Wir versuchen, Hilfestellungen zu leisten und Probleme zu lösen. Zum Beispiel haben wir in der Session 2022/23 mit der Gema über die neue Gebührenstruktur verhandelt. Dabei konnten wir erreichen, dass die Rabatte für Karnevalsvereine gerettet wurden.

Wie viele Jahre waren Sie als RSE-Präsident im rheinischen Karneval unterwegs?

Wittmann: 22 Jahre. Insgesamt war ich aber 35 Jahre Mitglied des Präsidiums.

Ist der Karneval heute wieder dort angekommen, wo er vor der Corona-Pandemie stand?

Wittmann: Nein. Es geht zwar wieder aufwärts, aber Karneval wird nie wieder so sein wie vor Corona.

Woran machen Sie das fest?

Wittmann: Ich habe mich in der vergangenen Session mit vielen Vereinen ausgetauscht und diese Entwicklung bekomme ich gespiegelt. Der Karneval hat sich verändert. Aber das muss ja nicht grundsätzlich was Schlechtes bedeuten. Karneval war schon immer ein Spiegel der Gesellschaft – und auch in unserer Gesellschaft hat sich einiges nach der Pandemie geändert.

Sie waren in der Session 2024 Gast bei vielen Sitzungen. Was ist Ihnen aufgefallen?

Wittmann: Sitzungen werden immer musiklastiger. Es fehlen gute Redner. Einige von ihnen haben während der Pandemie aufgehört. Die Jugend wünscht sich mehr Bands, mehr Party. Für ältere Gäste ist diese Entwicklung schwierig. Aus Sitzungen werden sozusagen Stehungen, weil man bei Bandauftritten einfach nicht sitzen bleiben kann und will.

Welche Konsequenzen sind nötig?

Wittmann: Karnevalsvereine müssen auf die Wünsche der jungen Gäste reagieren, damit man die Jugend an den Karneval binden kann. Mir persönlich ist dabei aber wichtig, dass die Traditionen nicht aus den Augen verloren werden. Brauchtum bleibt Brauchtum – auch wenn Karneval immer wieder Strömungen angepasst werden muss.

Also muss es künftig verschiedene Veranstaltungsformate geben?

Wittmann: Unbedingt. Redner- und Nostalgiesitzungen sind immer mehr im Kommen. Ein gutes Beispiel ist die Beueler Nostalgiesitzung, die seit Jahren immer wieder ausverkauft ist. Gala- und Prunksitzungen muss es aber weiterhin geben. Nur dort finden Traditionscorps und Prinzenpaare eine Bühne für sich. Auf Karnevalspartys können traditionelle Funktionsträger nur schwer ihre Botschaft rüberbringen.

Und wie steht es um die Nachwuchsförderung im Karneval?

Wittmann: Kindercorps sind ganz wichtige Sammelbecken für den Karneval. Dort bekommen Kinder erstmals Kontakt zum traditionellen Brauchtum. Aus diesen Reihen sind schon sehr oft spätere Tollitäten, Kommandanten, Musiker und Redner entwachsen.

Wie hat sich Ihrer Meinung nach der Besuch von Karnevalssitzungen entwickelt?

Wittmann: Der Kartenverkauf ist nachweislich deutlich zurückgegangen. Es ist nur ganz wenigen Gesellschaften in der Region gelungen, alle Plätze in den Veranstaltungssälen zu besetzen. Allerdings war der Kartenverkauf 2024 schon wieder deutlich besser als 2023. Damals waren vor allem ältere Menschen noch vorsichtiger und trauten sich wegen der Pandemie nicht in volle Karnevalssäle.

Was bleibt Ihnen von der Session 2024 in Erinnerung?

Wittmann: Zwei Dinge. Erstens habe ich wahrgenommen, dass viele Menschen wieder Spaß am Karneval hatten. Zweitens waren die Veranstaltungen in Beuel anlässlich des Jubiläums 200 Jahre Beueler Weiberfastnacht eine Erfolgsstory. Angefangen von der Proklamation der Wäscherprinzessin über den Wäschmob am Rheinufer bis hin zum Rathaussturm an Weiberdonnerstag.

War das Jubiläum der Grund, warum Sie sich dafür entschieden haben, die Wäscherprinzessin mit nach Berlin zum Kanzlerempfang zu nehmen?

Wittmann: Ja, bei so einem einmaligen Jubiläum sind die Augen auf Beuel und die Wäscherprinzessin gerichtet – auch in Berlin. Der Kanzler zeigte sich an der Weiberfastnacht, dem Jubiläum und an Sabrina I. sehr interessiert.

Der Vorfall in Niederpleis bei dem ein Sitzungspräsident sich anzügliche Bemerkungen gegenüber einem jungen Mädchen erlaubt hat, war keine Werbung für den Karneval. Was sagen Sie dazu?

Wittmann: Das darf nie wieder passieren. Alle Verantwortlichen im Karneval sind verpflichtet, Kinder und Jugendliche zu schützen. Eltern geben ihre Kinder uns Karnevalisten in Obhut. Wir müssen uns um sie kümmern und auf sie aufpassen. Der Vorfall in Niederpleis war hoffentlich ein einmaliges Versagen, denn in Bonn und der Region wird grundsätzlich eine vorbildliche Jugendarbeit im Karneval geleistet. Ich möchte stellvertretend die Arbeit des Kleinen Senats in Bonn und die Tradition der Kinderwäscherprinzessin in Beuel hervorheben.

Und was machen Sie in der Session 2025?

Wittmann: Ich werde keine Langeweile haben. Ich verlasse zwar die Bühne, aber nicht das Theater. Ich bleibe dem Karneval erhalten und lasse mich mal wieder bei meinen Kaasseler Jonge blicken, bei denen ich 1968 in den Karneval gestartet bin.

Dieter Wittmann Seit mehr als 50 Jahren im Ehrenamt aktiv

Dieter Wittmann wurde im August 1946 in Oberkassel geboren und lebt heute immer noch dort. Er ist verheiratet, hat eine Tochter und zwei Enkel. Von Beruf ist er Schreinermeister. Von 1978 bis 2003 war er Präsident der KG Kaasseler Jonge, von 1990 bis 2015 war er Präsident des Festausschusses Siebengebirge, seit 2002 ist er Präsident des Regionalverbandes Rhein-Sieg-Eifel, von 2017 bis 2022 war er Vize-Präsident im Bund Deutscher Karneval (BDK). Seit 1962 ist er Mitglied in der Jesus-Maria-Josef Junggesellen Schützenbruderschaft in Oberkassel. In diesem Verein hat er 41 Jahre Vorstandsarbeit geleistet.